Angst und Generalisierte Angststörung (GAS)
Angst – Was ist Angst?
Angst kann auf verschiedenen Ebenen erlebt werden: sowohl auf psychischer als auch auf körperlicher Ebene. Das Spektrum reicht von leichter Besorgnis und Nervosität bis hin zu starken Reaktionen, die mit Kontrollverlust über Gedanken und Körper einhergehen. Angst hat in ihrem Ursprung die Funktion eines Schutzmechanismus, der direkt an das Nervensystem gekoppelt ist. Sie kann verschiedene körperliche Reaktionen und Funktionen auslösen. Dabei unterscheidet man zwischen drei Typen der Angstreaktion: Flucht, Kampf und Erstarrung. Diese drei Reaktionen waren in der frühen Menschheitsgeschichte überlebensnotwendig, beispielsweise um Gefahren durch Raubtiere zu entgehen. Flucht diente dazu, sich schnell in Sicherheit zu bringen. Kampf bedeutete, sich der Gefahr entgegenzustellen, und Erstarrung konnte helfen, nicht entdeckt zu werden oder eine passende Entscheidung zu finden, indem man sich kurz stoppt.
Biologische Grundlagen der Angst
Körperliche Funktionen, die diese Reaktionen ermöglichen, werden durch das sympathische Nervensystem aktiviert. Es ist für Anspannungsmechanismen im gesamten Körper verantwortlich. So wird beispielsweise der Herzschlag beschleunigt, damit Sauerstoff schneller transportiert werden kann. Die Verdauung wird heruntergefahren, und die Pupillen weiten sich, um die Wahrnehmung zu schärfen. Gleichzeitig wird das Schmerzempfinden reduziert, um handlungsfähig zu bleiben. Dieser Zustand, ursprünglich überlebenswichtig, kann in der modernen Welt hinderlich sein, wenn er unangemessen aktiviert wird. Die damit verbundenen Körperreaktionen werden von den Betroffenen sehr oft fehlgedeutet, was zu weiterer Angst beitragen kann.
Angst in der heutigen Zeit
Heute ist Angst ein nützlicher Mechanismus, solange sie in einem gesunden Rahmen bleibt. Sie hilft uns, Gefahren zu erkennen und zu vermeiden. Problematisch wird Angst, wenn sie unverhältnismäßig stark ist oder ohne ersichtlichen Grund auftritt. Dies kann von spezifischen Phobien bis hin zu generalisierten Angststörungen (GAS) reichen, bei denen die Angst uns im Alltag massiv einschränkt.
Generalisierte Angststörung (GAS)
Die generalisierte Angststörung zeichnet sich durch eine anhaltende, diffuse Angst aus, die nicht auf konkrete Objekte oder Situationen begrenzt ist. Betroffene haben häufig Sorgen, die sich auf viele Lebensbereiche ausdehnen können, etwa die Gesundheit nahestehender Personen, finanzielle Sicherheit oder Katastrophen, die möglicherweise eintreten könnten.
Körperliche Symptome
Durch die dauerhafte Aktivierung des sympathischen Nervensystems kann GAS zahlreiche körperliche Symptome hervorrufen, darunter:
- Innere Unruhe und ständige Anspannung
- Kopfschmerzen, Zittern und Muskelschmerzen (verursacht durch ständige unbewusste Körperspannung)
- Erhöhter Herzschlag (Tachykardie), Schweißausbrüche und beschleunigte Atmung (Hyperventilation)
- Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Durchfall oder Magenschmerzen
- Schwindel und Benommenheit
- Schlafprobleme (Ein- und Durchschlafprobleme)
- Kälteempfindlichkeit
Kognitive und sensorische Symptome:
- Lichtempfindlichkeit
- Geräuschempfindlichkeit
- Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme
- Ein Gefühl der Überforderung durch Reize
- Ständige Sorgen und Grübeln
Diese Symptome verstärken oft die Angst selbst und führen zu einem Teufelskreis. Darüber hinaus kann sich eine sogenannte 'Angst vor der Angst' entwickeln, die den Kreislauf weiter verschärft. Betroffene erleben, dass die Angst sie in ihrem Alltag einschränkt oder die damit verbundenen Symptome – wie Herzrasen, Zittern oder Atemnot – zu neuen Ängsten führen. Es entsteht ein Gefühl der Machtlosigkeit, das häufig von Gedanken begleitet wird wie: 'Durch die Angst bin ich eingeschränkt oder machtlos. Ich sollte keine Angst haben, aber ich bin der Angst ausgeliefert – und das macht mir noch mehr Angst.' Dieser Teufelskreis wird oft durch kognitive Verzerrungen wie Katastrophisieren (das Schlimmste annehmen) oder die selektive Wahrnehmung (nur auf angstbestätigende Reize achten) von angstauslösenden Reizen verstärkt. Solche Mechanismen sind ein zentraler Bestandteil der Generalisierten Angststörung und erklären, warum viele Betroffene das Gefühl haben, der Angst hilflos ausgeliefert zu sein.
Ursachen der GAS
Die Entstehung der GAS kann durch mehrere Faktoren beeinflusst werden, darunter:
- Genetische Veranlagung: Eine familiäre Häufung der Erkrankung deutet auf genetische Einflüsse hin
- Traumatische Erlebnisse: Erfahrungen wie Verluste, Missbrauch oder chronischer Stress können eine Rolle spielen
- Neurobiologische Faktoren: Ungleichgewichte bei Botenstoffen wie Serotonin, Noradrenalin oder GABA im Gehirn können die Verarbeitung von Angst beeinflussen
- Psychosoziale Einflüsse: Persönlichkeitsfaktoren wie Perfektionismus oder ein stark kontrollierter Lebensstil tragen ebenfalls bei
- Substanzmissbrauch und Abhängigkeiten: Betroffene versuchen manchmal, ihre Angst durch Alkohol oder Medikamente zu lindern, was jedoch das Risiko einer Abhängigkeit birgt und die Symptome langfristig verschlimmern kann, Oder sogar mitbeteiligter Auslöser sein können
GAS tritt häufig gemeinsam mit anderen psychischen Störungen auf, insbesondere Depressionen, Zwangsstörungen und anderen Angststörungen. Diese Komorbiditäten erschweren oft die Diagnose und Behandlung, da die Symptome sich gegenseitig verstärken können. Eine sorgfältige Abklärung durch Fachpersonal ist daher besonders wichtig.
Behandlung der Generalisierten Angststörung
Die Behandlung der GAS ist wichtig, um eine Chronifizierung zu vermeiden. Folgende Ansätze haben sich bewährt:
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
Dieser Ansatz ist eine der wirksamsten Methoden zur Behandlung von GAS. Ziel ist es, Denkmuster zu erkennen, die die Angst verstärken, und diese schrittweise zu verändern. In der Therapie kann beispielsweise untersucht werden, ob die Angst in der Kindheit durch Modelllernen (Lernen von Verhaltensweisen anhand der Bezugspersonen) oder andere Erfahrungen entstanden ist. Fehlüberzeugungen und Katastrophengedanken werden identifiziert und durch realistischere Denkmuster ersetzt. Oder in der neueren Form der Verhaltenstherapie zu erlernen, die Gedanken zu akzeptieren und ziehen zu lassen (wir sind nicht unsere Gedanken, lediglich die Projektionsfläche).
Tiefenpsychologische Therapie
Die tiefenpsychologische Therapie sieht die Angst als Ausdruck tieferliegender, unbewusster Konflikte. Die ständige Beschäftigung mit Sorgen kann unbewusst dazu dienen, andere belastende Themen oder Emotionen zu verdrängen. Ziel dieses Ansatzes ist es, die Symptome als Hinweise zu deuten, unbewusste Konflikte zu erkennen und aufzulösen. Dies soll zu einer nachhaltigen Reduktion der Angst führen.
Entspannungsverfahren
Methoden wie Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training können helfen, die körperliche Anspannung zu reduzieren und damit die Angstsymptome zu lindern.
Medikamentöse Therapie
Medikamente wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) können helfen, die Symptome der GAS zu lindern, insbesondere wenn die psychotherapeutischen Ansätze allein nicht ausreichen. Diese Medikamente sollten nur von einem Facharzt verschrieben werden und erfordern eine sorgfältige Abwägung der Risiken und Nebenwirkungen.
Psychoedukation
Psychoedukation hilft Betroffenen, die Mechanismen der Angst zu verstehen. Dieses Wissen reduziert die Angst vor der Angst und unterstützt die aktive Mitarbeit in der Therapie. Betroffene können so lernen, dass ihre Symptome erklärbar sind und mit geeigneten Strategien bewältigt werden können.
Weitere Ansätze
Sport, Psychoedukation und Achtsamkeitstraining sind ergänzende Maßnahmen, die die Therapie unterstützen können. EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) kann bei traumatischen Auslösern ebenfalls hilfreich sein.
Umgang im Alltag
Betroffene sollten versuchen, aktiv zu bleiben und sich nicht vollständig von der Angst beherrschen zu lassen. Wichtig ist, das Gehirn nicht durch Vermeidungsverhalten weiter zu bestätigen, dass die Angst gerechtfertigt ist. Auch Angehörige können durch Verständnis und Unterstützung eine wichtige Rolle spielen. Psychoedukation und Fachliteratur können dabei helfen, die Mechanismen der Angst besser zu verstehen.
Dieser Beitrag soll einen Einblick in die Generalisierte Angststörung geben und sowohl Betroffenen als auch Interessierten Wege aufzeigen, wie man mit dieser belastenden Erkrankung umgehen kann.
Haftungsausschluss: Die in diesem Blog geteilten Informationen dienen lediglich allgemeinen Informationszwecken und ersetzen keine professionelle medizinische oder psychotherapeutische Beratung. Für spezifische gesundheitliche oder psychische Anliegen sollte ein qualifizierter Facharzt oder Therapeut konsultiert werden. Der Autor übernimmt keine Haftung für die Anwendung der hier beschriebenen Inhalte.